Montag, Oktober 24, 2005

Offene Improvisation

Ist das Terrornetzwerk Al Qaeda ein Hirngespinst westlicher Propaganda? Der BBC-Dokumentarfilm "The Power of Nightmares" im Kontext der Terrorangst von London.
...

Für Curtis ist die gezielte Konstruktion eines mit märchenhaften Attributen ausgestatteten Feindbildes ein Phänomen der Rhetorik des Kalten Krieges, die er in seinem Film ausführlich nachzeichnet. Dabei jongliert er virtuos mit komplexem Material, das er in historischen Fragmenten, Interviews und einem ungewöhnlichen Talent zur verständlichen Vermittlung referiert. Formal ähnelt seine essayistische, auf den persönlichen Kommentar setzende Dramaturgie an Michael Moore und seinen thematisch verwandten, in der Aussage aber weniger radikalen Film Fahrenheit 9/11. Humoristische oder aktionistische Auflockerungen gibt es bei ihm allerdings nicht. (Frankfurter Rundschau)

Ein amerikanischer Betrachter "put it this way":

"If you watch this film, you will become a Communist and murder unborn babies. Do you want to become a Communist? Do you want to murder unborn babies? Of course you don't. But if you watch this film, you will do both of these things and more. You will smoke reefer, you will march in those evil peace rallies with filthy hippies and Satanic liberals, you'll even start hugging trees and dating ethnic minorities. See how insidious this demonic liberal media is? Your very eternal soul is at stake, my friend! Do you want to risk an eternity roasting in the flames of eternal hellfire? Then for God's sake, don't watch this film! You have been WARNED!

Auch wenn "The Power of Nightmares -the Rise of the Politics of Fear" oft als die britische Antwort auf "Fahrenheit 9/11" verhandelt wird, so hat Adam Curtis'Film mit Michael Moores Blockbuster doch kaum etwas gemein - vielmehr handelt es sich um eins der raren Beispiele von TV-Doku, die den in Sachen "War on Terror" zirkulierenden Bildern und Erzählmustern grundsätzlich misstraut. Der Film zeigt die bereits in den 50er Jahren beginnende Entstehungsgeschichte jener beiden Bewegungen, die sich heute, als Verbündete im Kampf gegen den Liberalismus der Moderne, im Krieg gegen den Terror als Gegner gegenüberstehen: die Geschichte der amerikanischen Neokonservativen seit Leo Strauss und die der radikalen Islamisten seit Sayyed Qutb. Statt einer der üblichen Verschwörungtheorien - oder bloss Männern in Anzügen und Männern mit Turbanen - ist zu sehen, welche strategischen Koalitionen und Konflikte sich zwischen diesen gegenrevolutionären "Avantgarden" im Verlauf des Kalten Krieges entwickelt hatten, bevor beide, Ende der 90er Jahre, in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versinken drohten. Erst mit dem 11. September 2001, so Curtis' These, sind neokonservative und islamistische Fundamentalisten überhaupt wieder diskursmächtig geworden: als zwei Phantome, die zugleich getrennt und vereint über die Bildschirme der Welt geistern und das Entstehen von Kontrollgesellschaften verkünden, die noch vor fünf Jahren sich kaum jemand hätte vorstellen können.

Keine Kommentare: